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Klaus Schulze: La Vie Electronique 11 (Review)

Artist:

Klaus Schulze

Klaus Schulze: La Vie Electronique 11
Album:

La Vie Electronique 11

Medium: CD
Stil:

Electronic

Label: MIG Music
Spieldauer: CD1: 75:26 / CD2: 71:13 / CD3: 78:18
Erschienen: 27.04.2012
Website: [Link]

Mit „La Vie Electronique 11“ sind wir in den 90ern gelandet. KLAUS SCHULZE goes classic. Was natürlich nicht heißt wie Tastenkollege RICK WAKEMAN weichgespülte Synthie- und Pianointerpretationen, mehr oder minder bekannter klassischer Kompositionen, zu Gehör zu bringen. SCHULZE geht einen gänzlich anderen Weg. Er benutzt sein Instrumentarium und die Sample-Technik dazu, seine eigene Vision von moderner Klassik zu inszenieren. Vorbilder sind auch nicht die üblichen Verdächtigen (von CHOPIN bis SATIE), sondern der Geist der späten Romantiker mit leichtem Lugen Richtung Neutöner. Und natürlich der Meister des Bombasts, die Ikone der überladenen, melodramatischen, symphonischen Klangkunst, das heimliche(?) Vorbild so vieler Progrocker: RICHARD WAGNER. Natürlich nehmen sich SCHULZEs symphonische Versuche bescheidener aus; er komponierte keine mehrstündigen Opern, sondern Gebrauchsmusik wie den Soundtrack zu Film-, bevorzugt aber TV-Stücken („Spurensicherung: Baudenkmäler“, komplett zu finden auf CD 1), oder „seine erste Sinfonie“ die „Narren des Schicksals “ (Drei Sätze, alle auf CD 2).

Dabei arbeitet KLAUS SCHULZE wieder mit seinen bekannten Mitteln: Weite Klangflächen mit meditativer Sogwirkung, der Sequenzer ist für den strukturellen und rhythmischen Rahmen zuständig, es gibt kurze solistische Exkurse, die mit unterschiedlichen Sounds experimentieren. Hinzu gesellen sich Harfe, Violine, diverse Blasinstrumente und volles Orchester. Freilich alle Instrumente, im Gegensatz zu den frühen Alben, von SCHULZE selbst elektronisch erzeugt. Das gilt auch für die gelegentlichen Stimmeinsätze, bei denen KLAUS SCHULZE explizit mit Verfremdungstechniken arbeitet, die den ruhigen Fluss der Musik aufbrechen bis hin zur Atonalität. Am exzessivsten in der „Narren des Schicksals“-Sinfonie, die mitunter so klingt als würden singende Roboter von elektrischen Schafen heftigst alpträumen.

So wechseln sich rhythmische Passagen mit elegischen ab, immer wieder finden sperrige Tonfolgen Einzug ins musikalische Geschehen und lassen den Hörer aufschrecken. Keine der drei CDs ist geeignet für eine lauschige Meditations- oder Massagestunde. Die ruhigste Stimmungslage vermittelt interessanterweise die disparate dritte CD. Hier findet sich die lange Version eines Soundtracks „für einen Film über den Potsdamer Platz in Berlin“, ein Remix daraus, der keine Verwendung im Film fand und ein ausgemustertes Stück der Oper „Totentag“ („Ein schönes Autodafé“). Wobei das relativ zu sehen ist. Denn auch hier herrscht eine im Hintergrund brodelnde Unruhe, die jederzeit durch einen hochgepitchten Schrei Oberhand gewinnen kann. SCHULZE arbeitet mit dem Schrecken, der dem Schönen innewohnt, dem Brand im freundlichen Kaminzimmer. Die Löschdecke allerdings jederzeit in Reichweite. In die Gefilde PENDERCKIs oder LIGETIs wagt er sich nicht vor. Und wenn, dann nur ganz kurz und ganz dezent.

FAZIT: Postmoderne Kunstkacke, die sehnsüchtige Hoffnung eines musikalisch so konservativen wie technisch progressiven Musikers, seinen spätromantischen Gelüsten einen aktuellen Altar zu bauen - oder die kluge, anspruchsvolle und keinesfalls leicht zu goutierende Präsenz eines Künstlers, der seine musikalische Identität und Geschichte erforscht? Ein bisschen von allem ist wohl am wahrscheinlichsten; wobei der Mut, schräge Klänge mit ganz eigener Rhythmik einfach als Gebrauchsmusik zu tarnen, bereits von Größe zeugt. Den Fahrstuhl möchte ich sehen, in dem man mehrere Stockwerke mit Behagen bewältigt, der das komplette Abspielen von „Schwermütiger Frühling“ im Programm hat.

La Vie Electronique 11“ wird vermutlich nicht zu den Werken gehören, die man von KLAUS SCHULZEs musikalischer Nabelschau am Häufigsten auflegt. Aber es zeigt einen Musiker, der im Alleingang in der Lage ist, großformatige Werke, quasi über Nacht, zu schaffen, die sowohl einschmeichelnd wie von irritierender Brüchigkeit sind, so intim und komplex. Dabei zwar melodische Grenzen ausloten, aber nie in Chaos und Zerfall zerberstend.

PS.: Klaus D. Mueller liefert im Text zur Ausgabe wieder amüsante und erhellende Details zu den „Silver-„ und „Historic-Edition“-Sets, die der „La Vie Electronique“-Reihe zugrunde liegen. So bekennt er freimütig, dass es KEINE weiblichen Käufer der opulenten CD-Päckchen gibt. Ein Beleg dafür, dass Männer die wahren Romantiker sind?

Jochen König (Info) (Review 6237x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • CD 1:
  • Film Musik:
  • Die Lieder des Prinzen Vogelfrei
  • Le Médallion Magique
  • Schwermütiger Frühling
  • Der Optimismus
  • CD 2:
  • Narren des Schicksals:
  • Erster Satz: Uralte Legenden
  • Zweiter Satz: O unser verlorenes Paradies
  • Dritter Satz: Der sanfte Mantel einer fremden Frau
  • CD 3:
  • Der Schönheit Spur:
  • In Treasury Of Thy Lusty Days
  • Im Spiel verliebter
  • Erinnerung jener Schönheit
  • Ein lockend Aug
  • Beauty's Rose Might Never Die
  • Echt ist mein Lieben, wahr sei auch mein Leid
  • Thy Eternal Summer Shall Not Fade
  • Ein schönes Autodafé:
  • The Colours Of Mind
  • In der Welt des Wahns
  • Reise ins Schweigen
  • Man kann sich nicht von der Erde erheben, indem man an seinen Schnürsenkeln zieht
  • Fools Of Time
  • Return In Happy Plight

Besetzung:

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